Katrin Albisser – GESUND & FIT – Nr. 2/2024

Muskeln, die Gesundmacher

Die Muskulatur, eines unserer grössten Organsysteme, bekommt zu wenig Aufmerksamkeit und wird meist sehr einseitig beleuchtet. Deswegen hat Prof. Dr. Ingo Froböse ein faszinierendes Buch geschrieben, das ich nicht mehr aus der Hand gelegt habe. Wir haben 654 Muskeln – das Buch geht uns alle etwas an!

«Als Faszie bezeichnet man eine flächige Hüllschicht aus kollagenem Bindegewebe, die Muskeln, Organe oder ganze Körperabschnitte umgeben kann. Inaktivität, insbesondere das Sitzen, führt langfristig zu einer Veränderung des Fasziengewebes, lässt es austrocknen und letztlich sogar verfilzen.»

Lesen Sie jetzt im exklusiven Interview mit Ingo Froböse, warum der richtige Umgang mit unseren Muskeln lebensnotwendig ist.

Katrin Albisser: Weshalb liegt es Ihnen am Herzen, dass die Menschen mehr über die Muskeln wissen und sie wertschätzen?
Ingo Froböse: Die Muskulatur ist das größte Stoffwechselorgan. Sowohl in der Medizin als auch in der Gesellschaft wird dies leider völlig vernachlässigt. In Anbetracht der Gesundheit der Menschen muss sich das dringend ändern.

Muskeln kann man nicht kaufen, sonst hätten wohl viele Menschen ganze Muskelberge. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass wir allein verantwortlich sind für die Leistungsfähigkeit unserer Muskeln. Heisst das, dass man das ganze Leben lang Krafttraining machen soll?
Nur was genutzt wird, entwickelt sich, was ungenutzt bleibt, verkümmert! Das gilt -insbesondere für die Muskelkraft, aber auch für das muskuläre Volumen des Körpers. Wir werden alle mit einem gewissen Orchester des Körpers geboren und darin enthalten sind bei Männern etwa 35–40 Prozent Muskelmasse und bei den Frauen etwa 30–35 Prozent.

Die Muskulatur reguliert im Körper zahlreiche Prozesse für die Gesundheit, für das Wachstum und für die körperliche und geistige Entwicklung. Verändert sich zum Beispiel im Laufe des Lebens durch eine Unterforderung oder gar Nichtnutzung der Muskeln diese Körperkomposition und damit die Zusammensetzung des Körpers, hat das gravierende Auswirkungen auf Lebensqualität und Gesundheit. Das bedeutet für mich, dass man ein Leben lang seine Muskulatur trainieren muss. Denn nur, wenn Muskeln vorhanden sind, kann Unabhängigkeit erhalten und Pflegebedürftigkeit vermieden werden.

Sie freuen sich, dass den Faszien nun endlich die verdiente Beachtung geschenkt wird. Können Sie kurz erklären, was mit den Faszien passiert, wenn wir im Alltag nur noch sitzen, statt uns zu bewegen?
Faszien sind elastisches Bindegewebe, das den gesamten Körper durchzieht und damit für seine Struktur, für die Haltung, aber auch für die Kommunikation innerhalb des Körpers sorgt. Faszien brauchen Zugbelastung, um elastisch zu bleiben und optimal versorgt zu werden. Da sie nicht mit Blut versorgt werden, brauchen sie dringend eine stetige mechanische Beanspruchung, damit über Flüssigkeit und hier insbesondere über Wasser die Elastizität erhalten bleibt und eine optimale Versorgung stattfinden kann. Inaktivität, insbesondere Sitzen, führt langfristig zu einer Veränderung des Fasziengewebes, lässt es austrocknen und letztlich sogar verfilzen.

«Kennen Sie Symptome wie brennende Augen, Lichtempfindlichkeit oder unscharfes, -verschwommenes Sehen? Die Augen sollten lebenslang trainiert werden. Auch wenn bereits Probleme auftreten, ist es möglich, mit Augentraining Verbesserungen zu erzielen.»

Was uns alle ab 40 Jahren betrifft, ist die Alterssichtigkeit. Werden die positiven Einflüsse fitter Augenmuskeln unterschätzt?
Sämtliche Bewegungen des Auges, seine Einstellung und damit die Variabilität, Gegenstände und Objekte in der Ferne oder aus unmittelbarer Nähe optimal zu betrachten, hängt davon ab, wie das Auge und insbesondere die Linse eingestellt ist. Diese Einstellung, Fokussierung genannt, erfolgt über die sehr differenzierte und koordinierte Arbeit der Augenmuskulatur. Deswegen ist für mich die Leistungsfähigkeit und Fitness der Augenmuskeln ein wichtiger Garant dafür, dass Sehen optimal stattfinden kann. Gerade im höheren Alter ist die Leistungsfähigkeit der Muskulatur im Auge ein sehr wichtiger Aspekt für die Sehfähigkeit!

Ist es bereits zu spät, etwas für die Augenmuskeln zu tun, wenn man die Packungsbeilagen nicht mehr gut lesen kann?
In der Tat müssen auch die Augen lebenslang trainiert werden. Zum Glück ist es gerade in Bezug auf die Muskulatur der Augen niemals zu spät, damit zu beginnen. Auch wenn bereits erste Probleme auftreten, ist es durchaus möglich, deutliche Verbesserungen zu erzielen. Man muss es nur tun und das regelmässig und vermutlich lebenslang. Jedenfalls nutzen wir aktuell das Potenzial des Trainings von Augen und Augenmuskeln überhaupt noch nicht aus und bringen die Menschen viel zu früh in die Abhängigkeit von Sehhilfen. Einmal daran gewöhnt, wird man sie dann meist nie mehr los.

«So bleiben Sie fit und mental in der Balance. Ein unentbehrliches Buch, um zu verstehen, warum der richtige Umgang mit unseren Muskeln für uns lebensnotwendig ist. Wenn Sie mehr über die Muskeln wissen, können Sie aktiv dazu beitragen, gesund zu bleiben oder zu werden.»

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Geben Sie uns zum Schluss noch Ihren persönlichen Tipp für leistungsfähige Muskeln in jedem Alter?
Je oller, je doller – das ist mein Motto für fitte Muskeln. Das heisst, je älter wir werden, umso mehr müssen wir auf die Leistungsfähigkeit unserer Muskulatur achten. Und so gehe ich dreimal pro Woche ins Training. Mehr braucht es auch nicht zu sein, aber die Muskeln brauchen wöchentlich ihre Reize und das kann ruhig auch mal eine richtige Herausforderung und Belastung sein. Muskeln müssen nämlich nicht in Watte gepackt werden, sondern vertragen sehr gut intensive Beanspruchungen.