Die «Blue Zones» – Zentren der Langlebigkeit
Die Blue Zones sind Orte auf der Welt, an denen auffällig viele Personen leben, die älter sind als 100 Jahre. Zu den Blue Zones gibt es zahlreiche Untersuchungen, weil man dem Schlüssel für ein langes und gesundes Leben auf die Spur kommen möchte. Doch die Kritik an dieser Theorie wächst.

«Nicht das hohe Alter ist entscheidend, sondern das Fernbleiben sogenannter altersbedingter Erkrankungen wie Diabetes, Herzkreislauf Erkrankungen, Demenz und bestimmter Krebsarten.»
Dan Buettner ist der Entdecker der Blue Zones, der Langlebigkeits-Hotspots, in denen die Menschen besonders gesund altern. Dazu zählen:
Ikaria in Griechenland, Sardinien in Italien, Loma Linda in Kalifornien, Okinawa in Japan, die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und seit Kurzem auch Singapur.
Um der Langlebigkeit auf den Grund zu kommen, stützte sich Buettner bei der über 20 Jahre andauernden Recherche auf zwei Annahmen. Erstens: Unsere Gene haben relativ wenig Einfluss auf unsere Lebenserwartung. Einer dänischen Zwillingsstudie aus dem Jahr 1996 zufolge ist Langlebigkeit nur in einem geringen Masse vererbbar und lediglich ein Viertel der Abweichungen vom Gesundheitszustand ist erblich bedingt. Den Rest bestimmt weitgehend unsere Umwelt.
Zweitens: An Orten auf der Welt, an denen die Menschen länger leben, wird irgendetwas richtig gemacht. Liessen sich demographisch gesicherte Regionen ermitteln, in denen die Menschen am längsten leben, und könnte man dort gemeinsame Muster in ihrer Lebensweise erkennen, ergäben sich vielleicht Anhaltspunkte.
Dan Buettners Untersuchungen fanden also nicht im Labor statt. Er hat über viele Jahre die Menschen in den Blue Zones besucht. Er hat ihre Lebensweise beobachtet und die Bewohner interviewt. Aus den Ergebnissen schloss er Übereinstimmungen in den Lebensweisen der Menschen, auch wenn sie geographisch, traditionell und kulturell jeweils unter völlig verschiedenen Bedingungen lebten.
Die Bewohner der Blue Zones ernähren sich überwiegend vollwertig und pflanzlich und sind körperlich auch im höchsten Alter noch sehr aktiv. Tägliche Rituale wie Gebete, Ahnenkult oder ein Nickerchen tragen zur Entspannung bei und verringern das Risiko stressbedingter Entzündungsprozesse. Die soziale Unterstützung durch die Familie oder auch durch soziale Einrichtungen der Gemeinde unterstützen die Langlebigkeit genauso wie das Wissen um Lebenssinn und Lebensaufgaben.

Natürlich werden in den Blue Zones die biologischen Grenzen des alternden Organismus nicht ausser Kraft gesetzt. Aber die höhere Lebenserwartung ihrer Bewohner ist gleichzeitig gekoppelt mit dem Ausbleiben der bekannten chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz und bestimmter Krebsarten.
Und das Besondere daran ist: Die Bewohner der Blue Zones streben nicht bewusst nach Gesundheit und Langlebigkeit, es ergab sich einfach aus ihrer Lebensweise.
Doch es gibt auch Kritik an der Theorie der Blue Zones. Einer der Kritiker ist der australische Altersforscher Saul Newman. Er bezweifelt vor allem die demographischen Daten und unterstellt, dass die recherchierten Altersangaben nicht stimmen würden.
Erstes Beispiel: In Costa Rica habe man schon 2008 aufgedeckt, dass 42 Prozent der Hundertjährigen über ihr Alter gelogen hatten – trotzdem zähle man Costa Rica noch immer zu den Langlebigkeits-Hotspots. Zweites Beispiel: Der Zweite Weltkrieg habe sämtliche Dokumente aus Okinawa zerstört. Die Altersdaten wurden laut Newman ohne Kenntisse über Japan und mit einem fremden Kalendersystem erhoben. Drittes Beispiel: In Sardinien lebten im Vergleich zum Rest Italiens nur sehr wenige Menschen über 90, dafür aber seltsamerweise sehr viele Hundertjährige.
Newman zerrte mehr und mehr seltsame Geschichten ans Licht. Immer wieder wollten Stadtbeamte dem ältesten Mann Tokios zu seinem Geburtstag gratulieren. Sie fanden ihn als 30 Jahre alte Mumie in seinem Bett. Verwandte hatten seine Pension kassiert. Ein anderer extrem alter Mann in Japan galt als der älteste Mann der Welt. «Ich fand heraus, dass er keine Geburtsurkunde hatte, mehrfach seinen Namen gewechselt und mindestens drei Mal die gleiche Frau geheiratet hatte – ohne Scheidung dazwischen. Jede Dokumentation seiner Daten war völliger Nonsens», sagt Newman. Nüchtern fasst er zusammen: «Ich stellte fest, dass diese angeblichen Zentren der Hochaltrigkeit eher Zentren dokumentierter Fälle von Pensionsbetrug sind.»
Sind die Blue Zones also doch eher ein romantisches Märchen? Welche Schlüsse lassen sich aus dem bisherigen Wissenstand schliessen? Aus meiner Sicht ist eins klar: Die positive Wirkung von Faktoren wie körperlichem Training, mässiger Kalorienzufuhr, Stressregulation und sozialer Interaktion ist durch unabhängige Forschungsliteratur mehrfach belegt. Wir wissen auch ohne Belege von Blue Zones, dass ein gesundheitsorientierter Lebensstil unsere Lebenserwartung und vor allen unsere Lebensqualität im höheren Alter verbessert. Jeder kann sich also seine eigene «Blue Zone» schaffen, unabhängig vom Lebensort. Deshalb ist für mich die «Blue Zone» eher ein Lebensstil als eine geographische Verortung.
Übrigens, wie sieht es mit Ihrer Blue Zone aus?