Kurts Lebenselixier
Kurt Edelmann (70) war immer schon sportlich aktiv. Die richtige Portion Bewegung ist sein Lebenselixier, auf die er sich täglich freut. Wir haben ihn im Gesundheitspark Thalwil besucht.
«Kurt setzt seine Kraft im richtigen Moment ein, entspannt einen Ruderzug später, um in perfekter Haltung wieder zum nächsten Zug anzusetzen. Er gleitet mit geringem Aufwand hin und her und fast könnte man meinen, er sässe tatsächlich in einem Ruderboot auf dem Zürichsee.»
Als ich Kurt an diesem Morgen im Center antreffe, ist er bereits in seinem Aufwärmprogramm: 2000 m auf dem Ruder-Ergometer. Seine Bewegungen erscheinen rhythmisch, fliessend und ökonomisch. Auf den ersten Blick sieht man, dass er sein Metier beherrscht. Kurt setzt seine Kraft im richtigen Moment ein, entspannt einen Ruderzug später, um in perfekter Haltung wieder zum nächsten Zug anzusetzen. Er gleitet mit geringem Aufwand hin und her und fast könnte man meinen, er sässe tatsächlich in einem Ruderboot auf dem Zürichsee.
Fünf Minuten später begleite ich ihn auf seiner Krafttrainingsrunde. «Ich habe ursprünglich mit dem Krafttraining begonnen, weil ich Arthrose in beiden Kniegelenken habe. Mein Arzt hat mir vor 10 Jahren zur Operation geraten. Ich habe abgelehnt und bin hier ins Fitnesscenter gekommen. Das Training hat optimal funktioniert für mich. Die Schmerzen in den Knien sind deutlich weniger geworden – durch das gezielte Bewegen», erklärt mir Kurt nach der zwölften Wiederholung am Kniestrecker. «Jetzt du!», meint er und überlässt mir seinen Platz. Ich schiele kurz auf das von ihm eingestellte Gewicht und versuche es ihm nachzumachen.
Bereits nach der sechsten Wiederholung brennen meine Oberschenkel aufgrund der ungewohnten Belastung. Ich verkrampfe mich mehr und mehr – nach der zehnten Wiederholung ist meine Kraft am Ende. «Das Wichtigste ist eine saubere Ausführung und ein kontrolliertes Tempo», meint er korrigierend und wechselt zur Beinpresse.
Im Handumdrehen hat er das Gerät auf seine Position eingestellt und ist schon bei den ersten Wiederholungen, als ich mit immer noch verkrampften Oberschenkeln dazustosse.
«Glücklicherweise habe ich hier im Center ein Trainerteam, das wirklich Bescheid weiss! Man hat mich im Laufe der Jahre sehr spezifisch gecoacht und ist auf meine speziellen Beschwerden ganz genau eingegangen. Ich mache beispielsweise diese Beinpresse einbeinig, um nicht mit meinem stärkeren Bein zu kompensieren. Ich drücke auch etwas stärker mit der Ferse, was dazu führt, dass ich meine Gesässmuskeln vermehrt einsetzen muss. Dadurch wird mein Knie etwas entlastet.»
«Ich habe viele Kollegen in meinem Alter, die nicht trainieren und jetzt im Alltag extrem eingeschränkt sind. Was nützt denen die freie Zeit, die sie als Pensionäre haben, wenn ihre Gesundheit nicht mitspielt?»
«Leuchtet mir ein», entgegne ich, als Kurt schon wieder für die nächste Übung bereit ist. «Nun noch etwas für die Stabilität: Kniebeugen auf dem Wackelkissen.» Ich beobachte ihn und will ihn fast stützen, aber obwohl seine Beine während der Übung wegen der instabilen Unterlage wackeln, bewegt er sich sicher und geschmeidig. Kurt erklärt mir, dass er an den geführten Kraftgeräten sehr sicher und ohne Verletzungsrisiko seine isolierte Muskelkraft verbessert und mit solchen wackligen Ubungen Stabilisation und Koordination trainiert. «Verstehe», erwidere ich dankend und verzichte auf meinen Einsatz.
«Ich bin mir bei der nächsten Übung nicht sicher wegen des Rotationswinkels, deshalb hole ich schnell einen Trainer hinzu.» Wenige Augenblicke später gibt ihm Kirill Sprigaylov die nötige Unterstützung.
«Der Winkel ist sehr gut, allerdings solltest du an den Umkehrpunkten darauf achten, dass du die Bewegung kurz stoppst, sodass kein Schwung entstehen kann», heisst es. Kurt erklärt mir, dass Kirill seit fünf Jahren sein Trainer sei. Er habe zunächst im Center die Lehre zum Fachmann für Bewegungs- und Gesundheitsförderung gemacht, konnte nach der Lehre im Center bleiben und habe gleich anschliessend die höhere Weiterbildung für den eidgenössischen Fachausweis angehängt. «Ist natürlich spitze für mich, da Kirill meine ganze Entwicklung kennt. – Gehen wir noch gemeinsam aufs Velo?» «Klar, den einen oder anderen
Kilometer bin ich auch schon gefahren», erwidere ich augenzwinkernd. Während jeder von uns auf seinem Level fährt, kommen wir ins Plaudern. «Weisst du, ich habe viele Kollegen in meinem Alter, die nicht trainieren und jetzt im Alltag extrem eingeschränkt sind. Was nützt denen die freie Zeit, die sie als Pensionäre haben, wenn ihre Gesundheit nicht mitspielt? Und gerade die fragen mich dann öfter, ob ich für diese Fitnessaktivitäten nicht zu alt sei!» «Und was ist deine Antwort?», wollte ich wissen.
«Man hört nicht auf zu trainieren, weil man alt wird, sondern man wird alt, weil man aufhört zu trainieren!» Das ist mein Lebensmotto.
Schweigend fahren wir noch einige Zeit weiter. Sein Motto geht mir dabei nicht aus dem Kopf. Wie recht er doch hat, und ich würde mir wünschen, dass es mehr Leute gäbe, die dies verinnerlicht haben.
Nach einer halben Stunde steigt Kurt vom Ergometer und ich habe den Eindruck, dass er am Ende seiner heutigen Trainingseinheit noch mehr Energie versprüht als am Anfang. «Auf bald!», winkt er mir auf dem Weg zur Garderobe lächelnd zu, während ich wohl eine wichtige Lektion fürs Leben gelernt habe.